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Der Rundfunkbeitrag wackelt

Erste Einschätzung zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.10.2025 – BVerwG 6 C 5.24

Mit dem heutigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts haben die Gegner des Rundfunkbeitrags einen großen Schritt in Richtung Abschaffung dieser Zwangsabgabe errungen.

Laut Pressemitteilung des Gerichts müssen die Verwaltungsgerichte die berechtigten Einwände der Bürger gegen die Ausgewogenheit des öffentlich-rechtlichen Molochs nunmehr ernst nehmen. Bisher haben es die Verwaltungsgerichte durchgehend abgelehnt, ein Mitspracherecht der Zahlungspflichtigen anzuerkennen. Die Vorinstanz beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof hatte argumentiert, die Bürger könnten sich ja beim Programmbeirat beschweren, wenn ihnen die Berichterstattung nicht zusage. Dieser Begründungsfaden wurde nun vom Bundesverwaltungsgericht durchtrennt.

Worin liegt der Erfolg?

Auch wenn die Pressemitteilung und die Leitmedien versuchen, das Urteil kleinzureden, ist es eine überraschende Klatsche gegen die Verwaltungsgerichte und ein deutlicher Hinweis auf ihre Verfehlung, die verfassungsrechtlich verbrieften Rechte auch in Gerichtsentscheidungen umzusetzen.

Es kann nicht überbetont werden: dies ist das erste Urteil in Sachen Rundfunkbeitrag, das den Bürgern den juristischen Anspruch auf Verweigerung einer Beitragszahlung in die Hand gibt, wenn die Aufgaben der Anstalten systematisch nicht erfüllt werden. Demgegenüber spiegeln die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bislang die Auffassung wider, der Bürger habe gefälligst zu bezahlen, aber ansonsten die Klappe zu halten.

In diesem Sinne hat es sich auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Rundfunkbeitrag aus 2018 nicht nehmen lassen, das Grundrecht aus Art. 5 GG auf Meinungs-, Informations- und Rundfunkfreiheit im Wege der diabolischen Umkehrung in eine Grundpflicht zur Finanzierung staatlicher Verkündungsorgane zu verdrehen. Aus dem „Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat“ wurde ein Schwert des Staates gegen den Untertanen, der nun die Meinungsäußerung anderer finanzieren muss.

Der Wermutstropfen

Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Spagat vollbracht, weil es einerseits den Anspruch der Betroffenen auf Prüfung der Rechtmäßigkeit anerkennen musste, aber andererseits keinen Anspruch festschreiben wollte, der effektiv zur Beseitigung des Zwangsbeitrags führen kann. Daher hat es die prozessurale Obliegenheit der Kläger herbeigeschwurbelt, sie müssten über einen Zeitraum von zwei Jahren per Gutachten nachweisen, dass eine strukturelle Verfehlung der Anstalten in tatsächlicher Hinsicht vorliegt.

Mit diesen Hürden dürfte das Gericht den verfassungsrechtlichen Bogen allerdings weit überspannt haben. Wenn ein Recht besteht, dann ist es auch effektiv zu verwirklichen. Bei den Verwaltungsgerichten gilt immer noch das Prinzip der Amtsaufklärung, wonach die Richter die Tatsachen selbst ermitteln müssen. Die Beweislast für die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten und der Aufgabenerfüllung staatlicher Organisationen liegt nicht bei den Bürgern, sondern eben bei der Exekutive. Dies gilt im Grundsatz auch für Verfassungsbeschwerden gegen Endurteile, die nur auf der Basis der ermittelten Tatsachen beruhen können. Der 6. Senat des Leipziger Bundesgerichts verkennt hingegen nonchalant die Rahmenbedingungen der Art. 19 Abs. 4 und 20 Abs. 3 GG. Die Verwaltungsgerichte werden dieses obiter dictum des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur nicht beachten müssen, sondern es auch aufgrund der klaren Vorgaben der Verwaltungsgerichtsordnung und des Grundgesetzes nicht in dieser Form umsetzen dürfen.

Was heißt das praktisch?

GEZ-Gegner können sich schon einmal warmlaufen. Mit dem nun höchstrichterlich festgestellten Recht, unrechtmäßige Abgaben zumindest mittelbar über eine verfassungsgerichtliche Kontrolle verweigern zu können, öffnen sich die bislang verschlossenen Türen der gerichtlichen Vollprüfung der Zwangsabgabe. Die Abfassung des Urteils muss allerdings abgewartet werden, um den beschreitbaren Rechtsweg erkennen zu können.

Es dürfte jedem klar sein, dass „das aus Hörfunk, Fernsehen und Telemedien bestehende mediale Gesamtangebot aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter über einen längeren Zeitraum evidente und regelmäßige Defizite hinsichtlich der gegenständlichen und meinungsmäßigen Vielfalt erkennen lässt.“ Schon zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018 war die Aussage, die Anstalten würden ihren „Funktionsauftrag“ erfüllen, „die Vielfalt zu sichern und als Gegengewicht zum privaten Rundfunk Orientierungshilfe zu bieten“, an Lächerlichkeit kaum zu überbieten.

Es bleibt nun spannend, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof seinen Hals aus der Schlinge ziehen wird. Davon abgesehen wird die Prüfung der Auftragserfüllung in sämtlichen Bundesländern unabhängig voneinander zu geschehen haben. Denn die Zwangsabgabe ist Landesrecht und jede Landesanstalt muss selbst sicherstellen, dass sie ihren Auftrag erfüllt. Zuständig für die gerichtliche Überprüfung der Erfüllung des jeweiligen Funktionsauftrags sind neben dem Bundesverfassungsgericht auch die Landesverfassungsgerichte.

Der verbriefte Anspruch auf Überprüfung der Aufgabenerfüllung steht den Beitragsverpflichteten übrigens nicht nur nach dem Grundgesetz zu. Das Europäische Gericht erster Instanz hat bereits in 2008 entschieden, „dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne einer weiten Definition in Anbetracht seiner wirtschaftlichen Auswirkungen nur dann in Einklang mit den Bestimmungen des EG-Vertrags über staatliche Beihilfen stehen kann, wenn die mit dem gemeinwirtschaftlichen Auftrag zum Ausdruck gebrachten qualitativen Anforderungen erfüllt werden.“

Das Europarecht wird von Verwaltungsrichtern gerne vernachlässigt. Aber die klaren Vorgaben der Europäischen Union dürften dem Bundesverwaltungsgericht nicht entgangen sein. Möglicherweise war dies auch ein Grund dafür, die Sache lieber an die Vorinstanz zurückzugeben, als das Thema Beihilfenrecht aufzuwärmen, das für die staatlichen Rundfunkanstalten sehr unangenehm werden könnte.

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