Zum Inhalt springen

Der große RKI-Zahlen-Schwindel

Da die Inzidenzwerte für die Normalisierung des Alltags von größter Bedeutung sind, könnte man meinen, das RKI würde bei ihrer Berechnung besondere Sorgfalt walten lassen. Weit gefehlt: Die Datenbasis des Bundesinstituts ist eine Katastrophe und die Errechnung der Inzidenzen stümperhaft.

Der tägliche Situationsbericht des RKI enthält die Inzidenzwerte für Deutschland und die Bundesländer. Auf Basis dieser Werte entscheiden die Länder über die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Die Corona-Maßnahmen-Verordnungen nehmen teilweise explizit Bezug auf die vom RKI gemeldeten Daten.

Leider ist der vom RKI dargestellte Inzidenzwert nicht deckungsgleich mit den Inzidenzen, die nach dem Infektionsschutzgesetz heranzuziehen sind. Laut § 28a Abs. 3 IfSG sind nachgewiesene Infektionen für die Errechnung des Wertes maßgebend. Das RKI ermittelt hingegen „Fälle“ und berechnet auf dieser Grundlage einen Inzidenzwert.

Dies macht einen ganz entscheidenden Unterschied, wie hier gezeigt wird. Sehen wir uns zunächst die jüngsten Zahlen vom Samstag, den 27. März 2021 an, wie sie im Situationsbericht des RKI veröffentlicht wurden (Seite 4).

Letzte sieben Tage
Fälle gesamt: 103.879
Fälle pro 100.000 Einwohner: 125

Wohlgemerkt spricht das RKI nicht von Infektionen, sondern von Fällen. Überhaupt nicht deutlich wird, dass es sich um die Fälle handelt, die in den letzten sieben Tagen gemeldet wurden, und nicht um diejenigen, die in den letzten sieben Tagen entstanden sind. Ein feiner, aber sehr entscheidender Unterschied.

Um die für das IfSG maßgeblichen Neuinfektionen der letzten sieben Tage herauszufinden, muss man die Daten aus dem Dashboard des RKI herunterladen und die Berechnung selbst vornehmen. Da sich der Datenstand täglich ändert, muss für die Nachberechnung der obigen Werte die Tabelle mit dem Stand vom 27. März 2021 herangezogen werden (siehe Download unten).

In der Tabelle wird zunächst die Spalte „Meldedatum“ für den 7-Tages-Zeitraum vom 20. Bis 26. März 2021 gefiltert. In der Spalte „Neuer Fall“ werden nur die Daten für 0 und 1 belassen, um diejenigen Fälle der Vortagespublikation herauszufiltern, die korrigiert wurden.

Die Summe der Spalte „AnzahlFall“ entspricht dem vom RKI für Deutschland gemeldeten Wert. Die Inzidenz errechnet sich, indem dieser Wert durch die Anzahl der Einwohner geteilt und mit 100.000 multipliziert wird. Die zugrunde gelegten Einwohnerzahlen finden sich in dem Datensatz „RKI Corona Bundesländer“.

Auffällig ist, dass die als Genesen gemeldeten Fälle nicht abgezogen werden. Wenn also ein Gesundheitsamt eine Person als genesen meldet, wird dieser Fall einberechnet, obwohl es sich nicht um einen neuen Fall handeln kann. Inwieweit hierdurch doppelte Fälle gezählt werden, lässt sich nicht erkennen.

Ganz klar irreführend ist die Berücksichtigung von Fällen, deren Referenzdatum länger als sieben Tage zurückliegen. In dem Datenbestand sind in der letzten Woche Fälle gemeldet worden, die über ein Jahr entstanden sind. Dies geschieht in nicht unerheblichem Maße. Filtert man die weiter zurückliegenden Fälle in der Spalte „Refdatum“ heraus, reduzieren sich die Fälle auf 84.559, also auf rund 81% der vom RKI gemeldeten Zahl.

Hier zeigt sich schon der erste große Schnitzer der RKI-Daten. Das Referenzdatum ist das Erkrankungsdatum oder das Meldedatum, wenn der Erkrankungszeitraum nicht bekannt ist. Darin liegt eine weitere Fehlerquelle, weil für diese Fälle nicht nachvollzogen werden kann, wann sie entstanden sind.

Nur für 21.972 Fälle der im Betrachtungszeitraum liegenden Referenzfälle ist bestätigt, dass das Referenzdatum auch der Krankheitsbeginn ist. Diese Fälle sind die bestätigten Infektionen, die laut IfSG heranzuziehen sind. Die übrigen Fälle sind höchstwahrscheinlich symptomlose, also nicht nach der Definition des IfSG infizierte Personen. Gemäß § 2 Nr. 2 IfSG ist eine Infektion „die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung oder Vermehrung im menschlichen Organismus“, wodurch im Falle von Covid19 die typischen Symptome wenigstens in leichtem Maße auftreten müssten (Infektion der oberen Atemwege oder des Rachenraums).

Berechnet man die Inzidenzwerte nach der dargestellten Methode korrekt, erhält man folgende Gegenüberstellung für Gesamtdeutschland:

 RKI-FälleNeue FälleNeue Infektionen
Anzahl103.87984.55921.972
Inzidenz12510226

Ist die irreführende Angabe des RKI Schlamperei oder sogar Arglist, um das angebliche Bedrohungszenario aufrecht zu erhalten? Es ist nicht nachvollziehbar, warum auf die Divergenz zur Definition des IfSG nicht zumindest hingewiesen wird. Aufgrund ihrer Bedeutung wäre es sachgerecht, wenn das RKI die korrekten Inzidenzen ebenfalls darstellen würde.

Berechnet man die Zahlen selbst, liegt der aktuelle Inzidenzwert weit unter der Aufgreifschwelle von 35. Damit können die augenblicklich angeordneten Maßnahmen und die diskutierten Verschärfungen nicht gerechtfertigt werden.

Die Verordnungsgeber und die Landkreise dürfen sich nicht auf die im Situationsbericht gemeldeten Zahlen verlassen, sondern müssen die relevanten Neuinfektionen und die Inzidenzzahlen selbst anhand der Gesamttabelle errechnen.

Die Excel-Tabelle mit den Zahlen im relevanten Zeitraum und Filtern kann hier heruntergeladen werden (4,8 MB).

Ein Gedanke zu „Der große RKI-Zahlen-Schwindel“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert