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Ist die Maskenpflicht noch wirksam?

Die neuen Corona-Schutz-Verordnungen haben Wellen geschlagen, weil sie den Lockdown entgegen den ursprünglichen Ankündigungen verlängert und weitere umstrittene Maßnahmen eingeführt haben. Dazu gehört die Maskenpflicht in bestimmten Bereichen im Freien, die selbst das Robert-Koch-Insitut nicht für sinnvoll erachtet.

Die neuen Verordnungen der Länder, die ab dem 1. Dezember 2020 gelten, basieren nun erstmals auf dem neu eingefügten § 28a IfSG. In diesem Paragraphen hat der Gesetzgeber die für die SARS-CoV-2-Epidemie zulässigen Maßnahmen aufgeführt. Damit wollte der Gesetzgeber dem Vorwurf entgegentreten, dass er nicht selbst die wesentlichen Regelungen getroffen hatte. Nach Auffassung einiger Abgeordneter steht der Vorwurf jedoch nach wie vor im Raum. Denn der Wortlaut ist immer noch wie eine Blankettermächtigung gestaltet, nur dass nun der Blumenstrauß der gesamten Maßnahmen aufgezählt ist.

Umso entscheidender ist es, den Wortlaut des Gesetzes genau zu lesen, um wenigsten diejenigen Regelungen zu würdigen, die der Gesetzgeber vorgegeben hat. Damit hatten die Verordnungsgeber offenkundig Schwierigkeiten.

So kann die Gültigkeit der Maskenpflicht bereits aus zwei Gründen scheitern. Zum einen wurde die Vorgabe des Gesetzes missachtet, nur Regelungen zu treffen, wenn und soweit Infektionen nachgewiesen wurden. Zum anderen darf dem Worlaut des Gesetzes folgend eine Maskenpflicht regelmäßig nicht im “öffentlichen Raum” auferlegt werden.

Konkretes Infektionsgeschehen

Nach § 28a Abs. 3 S. 2 IfSG sollen die Schutzmaßnahmen am Infektionsgeschehen ausgerichtet werden. Die hypothetische Gefahr einer Infektion genügt folglich nicht. Nach S. 4 ist Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen “insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen”.

Entscheidend sind also die “Neuinfektionen”. Gemäß § 2 Nr. 2 IfSG ist eine Infektion: “die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung oder Vermehrung im menschlichen Organismus”. Diese Daten werden bislang jedoch nicht hinreichend erfasst.

Sämtliche Verordnungen stellen auf die vom RKI herausgegebenen Statistiken zu “Fällen” ab. Diese enthalten möglicherweise Infektionen, aber auch andere Fälle. Zu einem ganz überwiegenden Teil beziehen sich die Fälle auf positive PCR-Tests von Speichelproben. Diese Tests auf SARS-CoV-2 sind jedoch zur klinischen Diagnostik nicht zugelassen und auch nicht geeignet. Ein positiver PCR-Test alleine sagt nichts über eine bestehende Infektion aus.

Die Aussagelosigkeit des PCR-Tests für den Nachweis von Infektionen haben mittlerweile mehrere Gerichte bestätigt. Für Portugal hat dies am 11.11.2020 das Berufungsgericht von Lissabon festgestellt, das eine auf solchen Tests beruhende Quarantäne-Anordnung für unrechtmäßig erklärt hat.

Das OVG NRW hat ebenfalls in einem Beschluss vom 25.11.2020 festgestellt, dass der PCR-Test keine Infektiosität im Einzelfall belegt (S. 8 d. Umdrucks). Dabei beruft es sich auf einen Text auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Vorhersage der Infektiosität von SARS-CoV-2 bei positiver PCR. Darin heißt es: “Die RT-PCR weist RNA nach, aber nicht die Infektiosität eines Virus, sodass das Ansteckungsrisiko, das beispielsweise von einem Patienten mit persistierend positiver PCR ausgeht, unbekannt ist.”

Sinnlogisch hätte das OVG NRW damit auch den Nachweis des Schwellenwertes für nicht erbracht befinden müssen. Es wollte gleichwohl einen “belastbaren Rückschluss” in den Zahlenwerten erkennen.

Ähnlich hat auch das Sächsische OVG in einem Beschluss vom 17.11.2020 gemeint, es möge “grundsätzlich zutreffen”, dass “ein positiver PCR-Test keinen Schluss darauf zulasse, ob eine Infektion oder Krankheit vorliege” (Rn. 41). Zu den Ct-Werten meint das OVG: “Das PCR-Verfahren ist nämlich kein in allen Laboren einheitlich angewandtes Verfahren, da sich das in die Extraktion eingesetzte Probenvolumen, der Anteil des Elutionsvolumens im PCR-Ansatz und Extraktions-, Elutions- und Amplifikationseffizienz zwischen verschiedenen PCR-Verfahren unterscheiden können (Paul-Ehrlich-Institut, a. a. O.), so dass auch die Ct-Werte nur bedingt vergleichbar sind.” Allerdings wollte auch das Sächsische OVG nicht die denklogisch notwendige Konsequenz vornehmen, dem Verordnungsgeber bessere Nachweise abzuverlangen.

Für die neuen Verordnungen, die einen Nachweis der Infektionen liefern müssen, lässt sich diese schwammige Herangehensweise kaum aufrecht erhalten. Insbesondere im Hinblick auf Ordnungswidrigkeiten wird ein hoher Standard von Nachweisen zu verlangen sein, dass die vom Gesetzgeber verlangten Neuinfektionen tatsächlich zum Zeitpunkt der Ordnungswidrigkeit vorhanden waren. Im Gegensatz zu den Oberverwaltungsgerichten wird es sich ein Amtsgericht nicht so leicht machen können, indem von den Betroffenen Gegenbeweise eingefordert werden, die sie nicht erbringen könnten.

Maskenpflicht nur im privaten Raum

Eine weithin bislang unbeachtete Klarstellung hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die Maskenpflicht vorgenommen. Der Wortlaut des § 28a IfSG macht deutlich, dass eine Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen in der Regel nicht im “öffentlichen Raum” erlassen werden kann. Dies lässt sich aus dem Umkehrschluss von § 28a Abs. 1 Nr. 2 im Vergleich zu den Nr. 1 und 3 ableiten. Denn dort sind die Anordnung eines Abstandsgebots im öffentlichen Raum (Nr. 1) und die Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum (Nr. 3) eindeutig auf den öffentlichen Raum bezogen. Da diese ausdrückliche Erwähnung in Nr. 2 fehlt, muss für diese Regel interpretiert werden, dass sie nur für den privaten Raum gilt. Abzugrenzen bleibt, was unter “öffentlichen Raum” zu verstehen ist. Jedenfalls darf man davon ausgehen, dass die Freiluftbereiche (Fußgängerzonen, Marktplätze, Haltestellen etc.) dazu gehören und daher nicht von der Möglichkeit einer Maskenpflicht erfasst sind.

Dies stimmt auch mit den Bewertungen des RKI und der WHO überein, die beide übereinstimmend das Maskentragen im Freien nur in ganz spezifischen Situationen empfehlen, nämlich wenn Menschenmassen eng zusammenkommen. Das dürfte in Deutschland nur in ganz seltenen Situationen überhaupt zu sehen sein (z.B. bei Versammlungen). Auf diese Bewertungen Verweist im Übrigen auch die Gesetzesbegründung zu § 28a IfSG.

Bei der WHO heißt es: “Within wider environments where the virus is spreading, masks should be worn by the general public in settings where it is not possible to maintain at least 1 meter from others. Examples of these settings include indoor locations that are crowded and have poor ventilation, public transport and places of high population density – among others.”

Beim RKI heißt es: “Wenn der Mindestabstand von 1,5 m ohne Mund-Nasen-Bedeckung unterschritten wird, z.B. wenn Gruppen von Personen an einem Tisch sitzen oder bei größeren Menschenansammlungen, besteht auch im Freien ein erhöhtes Übertragungsrisiko.”

Wenn die Verordnungsgeber von diesen Regelfällen absehen wollten, müssten sie dies außerordentlich gut mit wissenschaftlicher Evidenz begründen, was ihnen bislang nicht ansatzweise möglich war.

Rechtlicher Hinweis

Die Darstellungen auf dieser Seite sollen rechtlichen Laien eine erste Orientierung bieten, können aber eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen. Für verschiedene Lebensbereiche gelten unterschiedliche Regelungen und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Norm sich nach Veröffentlichung verändert oder hier übersehen bzw. falsch interpretiert wurde.

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